A blog on museum-digital and the broader digitization of museum work.

Am 11. Juli 2011 startete
das durch das Land Sachsen-Anhalt geförderte Projekt zur Digitalisierung
historischer Bekleidung in einigen Museen der Altmark, des Jerichower Landes
und der Prignitz. Für den Projektstart wurde
das Kreismuseum Genthin ausgewählt, da hier sowohl eine besonders umfangreiche
als auch gut sortierte Textilsammlung vorhanden ist. Im Rahmen dieser
Arbeitswoche wurde durch die mit dem Projekt betraute Textilrestauratorin
Hannelore Hogger und die Historikerin und langjährige Museumsfachfrau Corrie
Leitz – begleitet durch Genthins engagierte Museumsleiterin Antonia Beran – die
Sammlung insgesamt gesichtet und mit 111 Objekten etwa ein Fünftel des
Bestandes an historischer Kleidung
bearbeitet.
Besonderes Augenmerk lag auf
historischer Alltagsbekleidung, da diese – bedingt durch die Art ihrer Nutzung
vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten (mehrfach genutzt/umgenutzt bis zum
Verschleiß) – nur selten in Museen gelangt ist. Entsprechende Stücke aus dem Bereich der Oberbekleidung waren daher auch in Genthin eher die Ausnahme.

Der zeitliche Schwerpunkt
der Genthiner Sammlung liegt auf dem ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts. Darunter befindet sich ein
Teilbestand von Damenoberbekleidung aus dem Zeitraum von 1875 bis in die 1960er
Jahre, welcher durch seine Struktur geeignet ist, die Entwicklung der Mode jener
Zeit widerzuspiegeln, und daher besondere Erwähnung verdient. Dazu passend sind
Kopfbedeckungen, insbesondere Kapotthüte und Damenwintermützen aus dem
ausgehenden 19. Jahrhundert sowie eine Gruppe von Capes und Schultertüchern aus
der Zeit um 1900 mit einigen sehr qualitätvollen Stücken vorhanden. Außerdem verfügt die
Sammlung über einen umfangreichen Bestand an Unterwäsche (auch für Herren) einschließlich
von Strümpfen, welcher jedoch in zahlreichen Museen vorhanden ist und daher nur
exemplarisch erfasst wurde. Ebenfalls zugehörig ist eine
Sammlung von Damenschuhen der 1920er bis 1960er Jahre, welche wiederum
exemplarisch erfasst wurde, da ein Großteil bereits durch die Museumsleiterin
in museum-digital publiziert worden ist. Hervorzuheben sind außerdem
einige Stücke aus dem Bereich Damen-Badebekleidung der 1920/30er Jahre, welche
in den nächsten Wochen im Portal publiziert werden sollen.

Wiederum aus dem Komplex der
Damenbekleidung besonders bemerkenswert ist ein relativ umfangreicher Bestand an Trachtteilen des Elb-Havel-Raums,
vor allem eine nahezu komplette Frauentracht aus Schönhausen. Als besonders interessant
erwies sich aber vor allem eine kleine Gruppe von Hauben, welche offenbar sämtlich
aus einer „Werkstatt“ stammten und vermutlich unter dem Einfluss veränderter
Bekleidungsgewohnheiten nicht mehr fertig gestellt und getragen worden waren.
Anhand eines in eine dieser Hauben als Einlage (Aussteifung) eingeklebten
Briefes konnte diese in die Zeit nach 1845 datiert und somit durch diesen
originalen Beleg gleichzeitig der Zeitraum eingegrenzt werden, in welchem es in
dieser Gegend zur Aufgabe der traditionellen Tracht kam.

Innerhalb der Sammlung
historischer Kleidung befinden sich außerdem einige wenige Stücke an Kinderbekleidung
aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er Jahre,
erwähnenswert ist darunter ihrer Vollständigkeit wegen eine komplette
Säuglingsausstattung aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs im zugehörigen
Weidenkoffer.

Bei der Männerbekleidung
sind insbesondere einige Objekte aus dem Bereich Berufsbekleidung aus der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts interessant. Damit korrespondieren fünf gut erhaltene Charlottenburger
(Tücher, in welche wandernde Gesellen ihre Habe schnürten) aus den 1920/30er
Jahren, welche zwar nicht zur Bekleidung an sich gehören, aber des inhaltlichen
Bezugs wegen exemplarisch erfasst wurden. Aus Zeitgründen nicht mehr
bearbeitet werden konnte dagegen eine
Reihe von Uniformen (in der Hauptsache militärisch, aber auch Post, Feuerwehr,
Bergleute). In die Reihe der im Portal
zu publizierenden Objekte wurde stattdessen eine originale Häftlingskleidung
aufgenommen. Sie stammt aus dem Nachlass von Wilhelm Seeger, einem Genthiner Kommunisten,
welcher in verschiedenen Konzentrationslagern interniert war und am 28. April 1945 von der Roten Armee aus dem
Zuchthaus Brandenburg befreit wurde. Einem ähnlichen historischen
Kontext zuzuordnen sind fragmentarisch erhaltene Pantoffeln, welcher in neuerer
Zeit als Bodenfunde auf dem Gelände des früheren Silva-Werkes Genthin geborgen
wurden, einer Munitionsfabrik, in welcher während des Zweiten Weltkriegs auch
Kriegsgefangene zum Einsatz kamen.

Im Rahmen der Bearbeitung
der einzelnen Sammlungsobjekte wurde die Analyse der Materialien und textilen
Techniken, welche oftmals bis ins Detail beschrieben wurden, sowie die
chronologische und systematische Einordnung durch die Textilrestauratorin Hannelore
Hogger vorgenommen. Sie gab – wenn nötig – auch Hinweise zur konservatorisch
richtigen Lagerung und Präsentation der verschiedenen Gruppen historischer Bekleidung,
wobei dabei natürlich die räumlichen und
materiellen/finanziellen Möglichkeiten des Museums einen gewissen Rahmen bilden.
Diese Hinweise wurden auch seitens des zuständigen Amtsleiters bei der
Kreisverwaltung mit Interesse zur Kenntnis genommen, ebenso wie jene zum
Restaurierungsbedarf bzw. zur Restaurierungswürdigkeit einzelner Stücke.

Für die fotografische Dokumentation
sowie die Erfassung aller relevanten Objektdaten (zunächst in Form einer
Excel-Tabelle) zeichnete die Historikerin Corrie Leitz verantwortlich. Ihr
obliegt in den folgenden Wochen auch die noch recht umfangreiche Nachbearbeitung
der erhobenen Daten, deren Ergänzung durch die jeweilige Objektgeschichte
(Zuarbeit seitens des Museums) und die Publikation im Portal museum-digital.
Dazu gehört auch die Durchsicht und Auswahl sowie ggf. Bearbeitung der knapp 1900
in Genthin entstandenen Objektfotos.

Außerdem werden alle
Beteiligten gemeinsam die vorläufige Sammlungsbeschreibung
überarbeiten, welche neben allgemeinen Charakteristika auch eine
Herausarbeitung von Untergruppen und Herausstellung besonderer Einzelstücke umfassen soll.

In der letzten Augustwoche
steht dann bereits die nächste Station – das Museum in Tangermünde – auf dem
Programm.

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