In den letzten vier Wochen hatten wir für den Sammlungsbereich Plastik zwei Fotografen im Haus. Sie haben insgesamt 87 Skulpturen aus dem Projektzeitraum 1900-1937 fotografiert.
Zum Verständnis kurz vorweg: Dreidimensionale Objekte wie Kunsthandwerk oder Skulpturen können nicht durch einen fotografischen Laien angefertigt werden. Sofern man mehr als ein Arbeitsfoto anstrebt, das nur ein "Wiedererkennungsfoto" für das Objekt ist, benötigt man nicht nur umfangreiches und professionelles Equipment zur differenzierten Ausleuchtung, sondern auch "einen Blick". Wir können als Laien mit unserer Reproanlage "Flachware" wie Fotos und Grafik scannen. Die Parameter für eine immer gleich ausgeleuchtete Fläche sind im Prinzip immer gleich.
Anders bei räumlichen Dingen, zumal bei Figuren, die eine körperliche Präsenz und oft eine 360°-Allansichtigkeit mitbringen: Die Kamera funktioniert fundamental anders als das menschliche Auge, so dass eine erhebliche "Übersetzungsleistung" des Fotografen erforderlich ist, um das Ding so ähnlich abzubilden, wie es der Mensch sieht, der vor ihm steht. Hinzu kommt, dass das Ding ein Kunstwerk ist, also eine bis mehrere beabsichtigte Aussagen in sich trägt, von der zumindest eine getroffen werden sollte. Dazu war während des Fotografierens eine enge Abstimmung zwischen Fotograf und Wissenschaftler wichtig, bzw. wird zum Schluss von mehreren Ansichten, die die Fotografen gemacht haben, zusammen mit dem Wissenschaftler eine Hauptansicht ausgewählt.
Ziel ist es, für jedes Objekt des Projektzeitraums mindestens eine treffende Abbildung zu haben, die sowohl für die Objektdatenbank als auch für die Onlinepublikation, für einen (hoffentlich zukünftigen) Bestandskatalog, für Ausstellungskataloge, Poster, Plakate, Postkarten usw. geeignet ist. Sofern möglich sollte eigentlich jeder Zweck mit diesem Foto bedient werden können. Dieser Wunsch wird in jedem Fall bei den Grafiken
und Photographien durch die Reproanlage erfüllt. Noch stärker als beim Kunsthandwerk ist jedoch bei der Skulpturfotografie "der (künstlerisch interpretierende) Blick" immer ein subjektiver. Das heißt, jeder Wissenschaftler würde im Zweifelsfall aus seiner Kenntnis und Auffassung der Figur "das Treffende" anders definieren.
Von "dem Treffenden" unabhängig wären bei einer Plastik natürlich Zweit- bis Fünftaufnahmen wünschenswert und zusätzlich Details, Signaturen und Oberflächen interessant. Zu dieser Dokumentationstiefe gelangen wir zunächst jedoch nicht. Wir sind aber sehr froh, dass wir aus Projektmitteln zumindest diese Fotoaktion möglich machen konnten, um eine aktuelle Farbaufnahme dieses kleinen Teils der Sammlung zu erhalten.
Nicht unwichtig ist natürlich die Auflösung der Kamera: Je höher die Auflösung, desto mehr Details kann man über den Zoom aus der Abbildung herausziehen. Bei dieser ersten Fotoaktion haben wir nicht diese Komplikation zusätzlich herbeiführen wollen. Doch ist schon jetzt klar, dass die Gemälde-Fotografie im nächsten Jahr mit einer digitalen Mittelformatkamera, die notfalls von den Fotografen bei einem professionellen Verleih geliehen werden muss, erfolgen soll.
Interessant sind vielleicht einige Randaspekte dieser Fotoaktion:
– Große Bedeutung kommt der Auswahl eines geeigneten Fotografen zu. Wir haben nicht die Leistung an eine größere Zahl an Fotografen ausgeschrieben und den günstigsten Anbieter ausgewählt. Weil es sich um eine künstlerische Leistung handelt, haben wir uns an Fotografen gewandt, die entsprechende Aufträge bereits erfolgreich bewältigt haben oder eine Mappe vorweisen konnten, aus der hervorgeht, dass sie mit den auftauchenden Schwierigkeiten umgehen können. Bei diesem Auftrag waren sicherlich die fast schwarzen, hochglänzenden Bronzen der größte Schwierigkeitsfaktor: Die Fotografie bildet beleuchtete Oberflächen zwischen Schwarz und Weiß ab. Bei schwarzen hochglänzenden Bronzen liegt fast kein Grau- bzw. Farbbereich zwischen der schwarzen Oberfläche und den überstrahlten Glanzpunkten. Es war die größte Herausforderung für die Fotografen, "das Treffende" mit so viel wie möglich an Binnenzeichnung zu verbinden. Als ein großer Pluspunkt stellte sich heraus, dass einer der Fotografen nicht nur selbst Bildhauer ist, sondern auch Erfahrungen mit dem Material Bronze hat. So konnte er in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlerin auf Stellen an den Figuren hinweisen, die vor dem Fotografieren retuschiert werden mussten, während er andere als materialimmanent, also als zugehörige Oberflächeneigenschaften erkannte.
– Die Preise für die Fotos staffelten sich nach der Größe der Objekte: bis 60 cm € 65,-, bis 120 cm € 80,-, bis 180 € 95,- und Sonderformat € 120,- plus 7% MWSt. Dazu muss man jedoch sagen, dass nicht unbedingt eine kleinere Skulptur einfacher zu fotografieren ist, als eine große.
– Die Juristin des Hauses hat anlässlich unserer Fotoaktion den Standardvertrag für Fotoarbeiten nochmals überarbeitet und daraus ist eine vielleicht für andere Institutionen interessante Vorlage bzw. ein Vergleichsbeispiel entstanden. Dies Datei möchten wir hiermit zur Verfügung stellen. Ein weiterer Vertrag zum Vergleich findet sich im Leitfaden für die Dokumentation von Museumsobjekten von 2011, S. 31f.. Auf ein vielleicht nicht unwichtiges versicherungsrechtliches Detail würden wir gern noch hinweisen: Ein vom Museum authorisierter Mitarbeiter sollte die Kunst anliefern, hochheben und ggf. auch für den Fotografen drehen. Nach unserem Vertrag ist der Fotograf nicht gegen das Fallenlassen von Kunst versichert, sofern er nicht selbst diese Versicherung z. B. in Form einer Berufshaftpflicht mitbringt.
– Für das Fotografieren hat es sich als notwendig erwiesen, dass zwei einfache kanten- und schnörkellose Sockel angefertigt werden mussten (MDF, 100 x 30 x 30 cm und 60 x 50 x 50 cm, Farblack nach RAL Code S2000-N mit wasserverdünnbarem, seidenmatten Basislack). Durch Querlegen dieser Sockel und untergelegte andere Podeste konnten wir alle Objekte bis auf die lebens- und überlebensgroßen Stücke, die auf eine einfache 3 x 4 m Platte in demselben Farbton gestellt wurden, durchfotografiert werden.
– Bei der größeren Anzahl von zu fotografierenden Werken hat es sich als günstig herausgestellt, zunächst alle Werke nebeneinander zu versammeln und gemeinsam mit dem Fotografen alle Aspekte des Vorgehens, der Arbeitsabfolge und der Qualitätskontrolle zu besprechen. Dabei lernen alle Beteiligten die jeweilen Erwartungen und Ansprüche kennen und können sich aufeinander einstellen. Sofern möglich, sollte eine solche Zusammenkunft einige Zeit vor dem Fototermin stattfinden, damit noch Zubehör besorgt werden kann.
– Beiden Fotografen haben wir die Verwendung des Colorchecker Passports von x-Rite vorgeschrieben. Mit diesem Colorchecker, einer Software mit Farbchart (€ 60-80), kann man unkompliziert das digitale Colormanagement in den RAW-Workflow bzw. die TIFF-Ausgabe einbinden. Ziel war, von den Fotografen eine mit ICC-Profil versehene Bilddatei zu erhalten, in der folglich für alle anschließenden Arbeitsschritte und Nutzungen – von der Bildschirmwiedergabe über die Gestaltung beim Grafiker und den Druck in der Druckerei – die Basis für eine originalgetreue Farbwiedergabe des Objektes gelegt ist. Wir haben im Vertrag neben dem TIFF um die Abgabe der RAW-Datei, die als proprietäres Format nicht langzeitarchivierbar ist, gebeten, weil wir uns die Option auf die Nachbearbeitung des weitaus vielfältiger nachzubearbeitenden Rohformats der Bilddatei offen lassen wollten. Sobald das Rohformat veraltet ist, steht als dauerhaft archivierbares Format nur noch das profilierte TIFF zur Verfügung.